„Von außen fließt viel Kaufkraft in die Stadt. Doch davon bleibt zu wenig in der Fußgängerzone hängen. Um das zu ändern, holt die Stadt jetzt Marketingprofis mit ins Boot. Die „Gruppe Drei“ aus Villingen erstellt in den nächsten drei Jahren ein Stadtmarketingkonzept.
Vorneweg die neuesten Zahlen: Mit einer Pro-Kopf-Einzelhandelskaufkraft von 6181 Euro ist Geislingen im Jahr 2015 Schlusslicht unter den Städten und Gemeinden über 10 000 Einwohner in der Region. Anders das Bild beim Pro-Kopf-Einzelhandelsumsatz: Hier lag die Fünftälerstadt mit 8337 Euro in der Spitzengruppe. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart.
Keinen Cent für die Innenstadt
Die Stadt erfährt also einen enormen Kaufkraftzufluss, der mit den WMF-Fabrikverkäufen zusammenhängt, während der Einzelhandel in der Innenstadt darbt. Mit anderen Worten: Die Shopper decken sich bei der WMF ein und fahren dann schnurstracks nach Hause, ohne in der Innenstadt eine Cent liegen gelassen zu haben. So steht die Stadt vor einem Problem, mit dem viele Kommunen zu kämpfen haben: Ladenleerstände und Zunahme von Billigläden.
An dieser Situation will die Stadt jetzt etwas ändern und holt sich Marketingprofis ins Boot. Einstimmig beauftragte der Gemeinderat das Fachbüro „Gruppe Drei“ aus Villingen mit der Erarbeitung eine Stadtmarketingkonzepts. „Wir können das Produkt ›Geislingen‹ nach außen vermarkten, aber als Verwaltung haben wir nicht alles selbst in der Hand. Dafür brauchen wir Experten“, erklärt OB Frank Dehmer.
Klares, ehrliches und ungeschminktes Bild
Alexander Doderer von der „Gruppe Drei“ kündigt an: „Wir werden eine Struktur entwickeln, die Geislingen als Stadt und mit eigenem Image wieder an den Punkt bringen wird, an den sie tatsächlich hingehört.“ Dazu seien zunächst zwei Dinge nötig: „Ein klares, ehrliches und ungeschminktes Fremdbild und eine Strategie für die kommenden 15 bis 20 Jahre“, sagt Doderer.
„Nichts davon geht verloren“
Dafür werden die Profis zunächst konkrete Wettbewerbsanalysen erstellen, Testeinkäufe machen und die ganze Stadt erst einmal bezüglich ihrer Zukunftsfähigkeit auf den Prüfstand stellen. Ergebnisse aus dem Bürgerbeteiligungsprozess sollen dabei nicht über Bord geworfen werden: „Da sind unglaublich viele konstruktive und positive Impulse zusammengekommen“, so Doderer. Nichts davon werde verloren gehen. Themen, um den Finger in die Wunde zu legen, gibt es genug: Handel, Tourismus, Gewerbe, Verkehr.
Guter Rat ist teuer: 108 000 Euro nimmt die Stadt in den nächsten drei Jahren für die Erstellung des Stadtmarketingkonzepts in die Hand, um das Stadtmarketing danach in Eigenregie betreiben zu können. Das heißt, die externen Berater stehen unter Erfolgsdruck. Gemessen werden sie daran, ob sich die Fußgängerzone belebt. Einfach wird das nicht.
Anders als andere Kommunen verfügt Geislingen gleich über drei Zentren: die Fußgängerzone, Altenstadt, das Nel Mezzo und wenn man die Fabrikverkäufe hinzunimmt, sind es sogar vier. Somit wird es darum gehen, diese Zentren besser miteinander zu vernetzen. Die „Gruppe Drei“ regt schon mal eine bessere Beschilderung und Hinweise auf die Fachwerkhäuser an. Daneben wird das Büro Antworten auf den „Trading-down-Effekt“ suchen müssen. So müsste das Sonne-Center wieder als Frequenzbringer zur Belebung der Innenstadt reaktiviert werden.
Eine weitere Frage ist, wie sich der stationäre Einzelhandel gegenüber dem Onlinehandel behaupten kann. Beispielsweise könnten sich mehrere Einzelhändler zusammenschließen und eine Onlineplattform gründen, dort ihre Waren präsentieren und auch einen Lieferservice anbieten. Diesen Weg gehen derzeit Kaufleute in Göppingen.“
Erschienen auf www.stadtanzeiger-im-netz.de am 10.12.2015
Redakteur: Boris-Marc Münch
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